Einleitung

Warum Fragmente, warum ein Rhizom – warum keine lineare Struktur wie bei ordentlichen Büchern?

Fragmente sind dem Denken näher als eine systematische Erörterung. Eine systematische Erörterung beginnt irgendwo. An einer Stelle, oder einer gut abzählbar kleinen Menge an Stellen. Das Denken beginnt nirgendwo: nirgendwo im Sinne von an keiner Stelle, an keinem Irgendwo. Dass wir eine Stelle suchen, ist bereits von uns als Voraussetzung in die Suche hineingegeben: ein Vorurteil. Es ist unser Modell, dass Dinge irgendwo beginnen. Es ist eigentlich nicht unsere Erfahrung: unsere Erfahrung ist, dass die Dinge, die Prozesse, die Ereignisse, erscheinen und verschwinden: und dass kein Erscheinen ohne Voraussetzungen ist: dass es vor der Erscheinung schon etwas gegeben haben muss, und vor diesem wieder: das Problem ist unserer Kultur eingeschrieben, der Leibniz’sche Satz vom zureichenden Grunde: er hat ein kulturelles oder genetisches Vorurteil auf den Punkt gebracht. Andere haben geholfen.

Das hier versuchte Modell der Modelle ist eine Gestalt, keine Hierarchie, kein Haus: es ist eher eine Holografie, die sich innerhalb eines Spektrums von Durchsichtigkeit und Manifestheit bewegt: ohne Anfang und Ende: ein Wabern. Man mag die vollständige Durchsichtigkeit, die Unsichtbarkeit der Gestalt als Anfang sehen.

Deleuze und Guattari beginnen nirgendwo, oder überall gleichzeitig – hier ist Zeit die falsche Metapher, aber ihr versteht schon – und nennen es Rhizom. Nietzsche hat Denksysteme von vornherein abgelehnt (wo hatte er nur diese Intuition her? oder ist er einfach mehrfach gescheitert am Versuch? in so jungen Jahren?).

Der Wert von Systematiken ist nicht zu leugnen (obwohl ich es außerordentlich gerne tue): aber sie kommen später im Erkenntnisprozess, sie erscheinen nachdem alle Dinge auf dem Tisch sind und wir ausgiebig mit ihnen gespielt haben: dann sortieren wir diese Dinge und sind vielleicht befriedigt. Und dann kommen neue Dinge und kollidieren mit der Systematik. Und wenn man dann beginnt, an der Systematik zu arbeiten, weil man sich in sie verliebt hat, sich in ihr eingerichtet hat, sie nicht loslassen möchte, nur erweitern und begrenzt modifizieren, bzw., in der Sprache dieses Buches, wenn man an seinem Modell anzuhaften beginnt (weil jedes Modell wertvoll ist, weil die Erstellung eines neuen viel Energie kostet): dann beginnt die partielle Blindheit, die unserer fundamentalen noch hinzugefügt wird.

Daher also dieses Format: Fragmente hier, Fragmente da, wir setzen sie zusammen, während wir uns mit ihnen beschäftigen, zu größeren Fragmenten, zu Subsystemen, partiellen und fundamentalen und effektiven Modellen, und wir suchen weiter nach dem einen großen Modell, das alle anderen Modelle enthält: und wir können es nicht finden: und wissen weiterhin nicht, ob das daran liegt, dass wir zu dumm sind, also die Strukturen der Realität nicht erkennen und erfassen können, oder dass sich alles was der Fall ist nicht modellieren lässt, also die Realität keine Strukturen mit Mustern aufweist. Grundfragen der Philosophie: schön dass sie an so vielen Stellen formuliert worden sind.

Wer ein eigenes Modell des hier vorgestellten Modells der Modelle bauen möchte, muss es sich also aus diesen Fragmenten zusammensetzen: und ganz ehrlich: das ist hier wie in allen anderen Erkenntnisprozessen ohnehin der einzige Weg. Er macht auch mehr Spaß, er ist schneller, tiefer, zwangloser.

Definitionen

Hier wird nichts definiert: Begriffe erzeugen und verfeinern sich durch ihre Verbindungen untereinander, eher zyklisch als linear.

Die Idee, Definitionen seien die Basis aller Diskurse und müssten allen Erörterungen vorgelagert sein, verkennt die Realität von Sprache, dem Denken, und allem sonst.

Dass Definitionen ein sinnvolles, ja überhaupt durchführbares Fundament für ein System von Begriffen sind, ist nichts weiter als eine operative These, die wahr oder falsch sein kann. Es sollte nicht selbstverständlich davon ausgegangen werden. Es ist nicht evident. Und wenn es wäre, wäre es das nur für dich und nicht für mich.

Es gibt nur Fragmente (Elemente, Knoten), Verweise (Graphen, Verbindungen) und Markierungen (Hashtags, Keywords)

Es mag irritieren, dass nicht nur auf eine lineare Struktur, sondern auch auf Hierarchien, Kapitel, Anhänge, Einleitungen und Schlussworte und insbesondere auch Fußnoten, Legenden, etc. verzichtet wird. Es gibt nur Elemente und Verweise zwischen ihnen: keine weitere Ebene. Das ist ein wenig künstlich (im Gehirn mag es Jennifer Aniston Neuronen – auch als “Grandmother Neuronen” oder “Konzept-Zellen” bezeichnet – geben, im Denken Schichtungen, die sich nicht als Graphen abbilden lassen), aber ehrlicher und offener als eine vorgegebene Topologie, die die Konzepte örtliche verankert oder auch nur gewichtet.

Jedes Konzept, jedes Symbol, jede Wortgruppe, jede Kategorie, jede Definition, jede Fußnote ist hier ein Eintrag derselben Art: ein Fragment. Und jedes Fragment ist mit beliebig vielen anderen verbunden durch einen Verweis.

Jedes Fragment und jeder Verweis kann markiert werden. Markierungen dienen der schnelleren Auffindbarkeit, der Übersicht: sie sind Kompromisse und koppeln an unser Vorwissen an: die reine Form hätte keine.

Als Beispiel für solch einen Kompromiss gibt es eine Markierung namens Einleitung: hier finden sich niedrigschwelligere Einstiege: vielleicht.

Vieles wird n-fach gesagt, aus unterschiedlichen (oder teilweise identischen, wenn es derlei gibt) Perspektiven: das ist in Ordnung: das hier ist kein Lexikon, kein Lehrbuch: es ist ein Geflecht, aus dem vielleicht ein Framework entsteht, oder ein Türstopper.

Der Doppelpunkt

Ich verwende den Doppelpunkt anders als im Deutschen üblich: ich verwende ihn als Kettungssymbol: die gängige Verwendung ist eine Teilmenge davon.

Updates

Fragmente, Verbindungen und Markierungen können jederzeit hinzugefügt, verändert und gelöscht werden.