Hässliche rauchende Schornsteine und Strommasten

Künstliche Intelligenz und der Klimawandel: Unsere letzte Rettung?

Die Uhr tickt. Die globale Klimakrise stellt eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts dar. Während sie unaufhaltsam voranschreitet, klammern sich viele an die Hoffnung, dass technologische Innovationen die Lösung bringen könnten. Doch inwieweit kann künstliche Intelligenz (KI) dazu beitragen, die dringendsten Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen?

Technologie als Schlüssel zur Klima-Lösung: Eine differenzierte Betrachtung

Einige Stimmen betonen (oder wünschen sich, oder hoffen auf) Technologie als den zentralen Wegbereiter, um das Klimaproblem zu adressieren. Häufig ist die dahinterstehende Hoffnung auf Technologien und Algorithmen gerichtet, die sich entweder noch in einem sehr frühen Stadium ihrer Entwicklung befinden oder die zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht einmal konzipiert sind.

Als Beispiele hierfür können diverse Techniken zur CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) genannt werden. Obwohl einige dieser Technologien bereits in Pilotprojekten getestet werden, sind sie weit davon entfernt, im benötigten Maßstab eingesetzt werden zu können. Ein weiteres Beispiel ist die Fusionstechnologie, die als nahezu unerschöpfliche und saubere Energiequelle gepriesen wird. Trotz jahrzehntelanger Forschung steht die Umsetzung eines kommerziellen Fusionsreaktors noch aus.

Ein stets verlässliches Beispiel für unbegründete Technikverliebtheit ist die FDP mit ihrer klimapolitischen Strategie, die beinahe ausschließlich auf technischen Fortschritt setzt. Dabei bleibt die Partei allerdings oft schuldig, ihre Annahmen und die Machbarkeit solcher technologischen Lösungen konkret zu begründen. Kritiker argumentieren, dass diese unausgereifte Zuversicht in Technologien dazu verwendet wird, um dringende und sofort umsetzbare Maßnahmen zur CO2-Reduktion zu blockieren oder zumindest zu verzögern. Statt auf bewährte (aber wiederum sicherlich nicht hinreichende) Ansätze wie den Ausbau erneuerbarer Energien oder Energieeffizienzmaßnahmen zu setzen, verlagert sich der Fokus auf zukünftige, teils spekulative Technologieprojekte.

Es ist sicherlich wichtig, in innovative Technologien zu investieren und deren Entwicklung zu fördern. Doch es ist ebenso essenziell, sich nicht allein auf zukünftige technologische Durchbrüche zu verlassen, während aktuelle, praktikable Lösungen in den Hintergrund treten.

Schauen wir uns das, was heute in den Medien als „Künstliche Intelligenz“ bezeichnet wird, im Hinblick auf die genannten technologischen Durchbrüche näher an.

Die Rolle von Sprachmodellen im KI-Hype und ihr Potenzial in der Klimaforschung

Wenn heute von den Wundern KI die Rede ist, sind es hauptsächlich Large Language Models (LLMs), also Sprachmodelle, die den Ton angeben. Ihre beeindruckende Fähigkeit, menschenähnlichen Text zu generieren und Informationen aus riesigen Datenmengen zu extrahieren, hat zu einem erheblichen Hype in den Medien und der Technologiebranche geführt. Doch wie steht es um ihr Potenzial in der Grundlagenforschung, insbesondere im Kontext des Klimawandels?

LLMs sind darauf trainiert, Informationen aus den Texten, mit denen sie gefüttert wurden, zu analysieren, zu verstehen und wiederzugeben. Dies macht sie zu außergewöhnlichen Werkzeugen in Bereichen wie:

  1. Literaturrecherche: Ein LLM kann blitzschnell durch tausende wissenschaftliche Artikel gehen und relevante Informationen extrahieren, die für eine bestimmte Forschungsfrage relevant sind.
  2. Zusammenfassung und Strukturierung: Diese Modelle können große Mengen an Daten synthetisieren und in verständlicher Form präsentieren.

Grenzen von LLMs in der Forschung

So beeindruckend die Fähigkeiten von LLMs in der Informationsverarbeitung auch sind, so haben sie doch bedeutende Einschränkungen:

  1. Abhängigkeit von vorhandenen Daten: LLMs können nur mit Informationen arbeiten, die sie bereits kennen. Sie sind nicht in der Lage, völlig neue wissenschaftliche Erkenntnisse oder Theorien zu entwickeln.
  2. Fehlende Kreativität: Während Menschen in der Lage sind, innovative Lösungen und Theorien durch kreatives Denken zu entwickeln, basieren LLMs hauptsächlich auf statistischen Verfahren und Mustern in den Daten, die sie analysieren.

Trotz ihrer Grenzen bieten LLMs natürlich auch Möglichkeiten im Kontext des Klimawandels, wie die multidisziplinäre Verknüpfung: Sie können Erkenntnisse aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen zusammenbringen, um ein umfassenderes Bild von Klimaproblemen zu erstellen.

Von Sprachmodellen zu „echten KIs“: Die Notwendigkeit multifunktionaler Intelligenzsysteme

Für komplexe Herausforderungen wie den Klimawandel reichen Sprachmodelle also allein nicht aus. Was wir als „echte KIs“ bezeichnen könnten, müsste über die Fähigkeiten von LLMs hinausgehen und auch andere Modelle, etwa physikalische oder klimaspezifische, wirklich „verstehen“.

Echte“ KIs vs. LLMs: Ein differenzierter Blick

  1. Modellverständnis: Während LLMs auf Textdaten trainiert sind und diese im Detail analysieren können, würden echte (ich verzichte mal auf die Anführungszeichen) KIs die Fähigkeit benötigen, komplexe wissenschaftliche Modelle – sei es in Physik, Chemie oder Klimatologie – tatsächlich zu begreifen. Dies würde bedeuten, dass sie die mathematischen und konzeptionellen Grundlagen dieser Modelle verstehen und damit arbeiten können.
  2. Kreative Schlussfolgerungen: LLMs arbeiten hauptsächlich durch die Erkennung von Mustern in den Daten, mit denen sie gefüttert wurden. Eine echte KI sollte jedoch die Fähigkeit besitzen, kreative Schlüsse aus den ihr bekannten Informationen zu ziehen, neue Hypothesen aufzustellen und innovative Lösungsansätze zu generieren.
  3. Interdisziplinäres Denken: Während LLMs Informationen aus verschiedenen Quellen verarbeiten können, wäre eine echte KI in der Lage, Wissen aus verschiedenen Disziplinen zu kombinieren und daraus neue, holistische Erkenntnisse zu gewinnen.
  4. Adaptives Lernen: LLMs haben feste Modelle, die nur aktualisiert werden können, indem sie erneut mit neuen Daten trainiert werden. Echte KIs würden über adaptives Lernen verfügen, bei dem sie ihre Modelle in Echtzeit anpassen können, basierend auf neuen Informationen oder Erkenntnissen.

Zukunftsperspektive

Während die Vorstellung von echten KIs noch teilweise hypothetisch ist, gibt es natürlich vielversprechende Ansätze in der KI-Forschung, die über reine Sprachmodelle hinausgehen. Das Einbinden von Expertensystemen, neuronalen Netzwerken für spezifische Aufgaben und Mechanismen für tiefes Lernen könnten in Zukunft zu einer KI führen, die nicht nur Texte versteht, sondern auch komplexe wissenschaftliche Modelle.

Solch eine Entwicklung wäre insbesondere für die Klimaforschung von unschätzbarem Wert. Eine KI, die in der Lage ist, klimaspezifische Modelle wirklich (was immer das bedeutet) zu verstehen (wie immer das konkret implementiert ist), könnte dabei helfen, schneller und effizienter Lösungsansätze für den Klimawandel zu finden und diese an die sich ständig ändernden Gegebenheiten anzupassen.

Das Problem der „Agency“ und die Spieltheorie in der Klimakrise

Die Klimakrise stellt ein einzigartiges Problem für die Menschheit dar, da sie globale Kooperation und koordinierte Handlungen auf einer beispiellosen Skala erfordert. Aber hier stoßen wir auf ein bedeutendes Hindernis: Das Fehlen einer zentralen Instanz, die in der Lage ist, einen allumfassenden Klimaplan durchzusetzen. Stattdessen handeln zahlreiche Akteure – von Einzelpersonen über Unternehmen bis hin zu Nationen – oft in ihrem eigenen (kurz- bis mittelfristig) besten Interesse.

Die Tragödie der Allmende (Tragedy of the commons)

Die „Tragödie der Allmende“ ist ein Konzept aus der Spieltheorie, das das Dilemma beschreibt, wenn Individuen, die auf einen gemeinsamen Ressourcenpool zugreifen, in ihrem eigenen Interesse handeln und dabei die Ressource übernutzen oder zerstören. In Bezug auf den Klimawandel kann dies so interpretiert werden:

  • Spieler: Jeder Staat oder jede große Organisation.
  • Handlungen: Entscheidungen, Ressourcen nachhaltig zu nutzen oder zu übernutzen.
  • Auszahlungen: Wirtschaftlicher Nutzen oder Schaden, Umweltvorteile oder -schäden.

Wenn jeder Akteur seinen eigenen kurzfristigen Vorteil verfolgt (z.B. wirtschaftlichen Gewinn durch den Verbrauch fossiler Brennstoffe), kann dies zu langfristigen Nachteilen für alle führen (z.B. durch Erderwärmung, steigende Meeresspiegel). Obwohl es im kollektiven Interesse wäre, den Ressourcenverbrauch zu reduzieren, könnten einzelne Akteure entscheiden, dass es in ihrem individuellen Interesse liegt, die Ressource weiterhin zu nutzen, solange andere dies auch tun.

Die Rolle der KI in der Lösung des Agency-Problems

Eine KI, die in der Lage ist, umfassende Lösungsvorschläge für die Klimakrise zu entwickeln, muss die spieltheoretischen Aspekte der menschlichen Interaktion berücksichtigen. Das bedeutet:

  1. Unabhängige Vorteile: Ein Klimaplan, der von der KI vorgeschlagen wird, sollte unabhängige Vorteile für alle Akteure bieten. Das heißt, jeder Akteur sollte einen Anreiz haben, den Plan zu befolgen, unabhängig davon, was andere tun.
  2. Kooperative Anreize: Die KI könnte Lösungen entwickeln, die kooperatives Verhalten belohnen. Dies könnte durch Mechanismen wie handelsbasierte Systeme oder finanzielle Anreize geschehen.
  3. Adaptive Strategien: Angesichts der Tatsache, dass das Klimasystem und menschliches Verhalten dynamisch sind, sollte die KI in der Lage sein, ihre Vorschläge basierend auf Echtzeitdaten und Feedback anzupassen.

Fazit

Die aktuelle Begeisterung für Künstliche Intelligenz (KI) in der Öffentlichkeit und Politik basiert oft auf einem unvollständigen Verständnis ihrer Fähigkeiten. Viele der heute prominenten „KI“-Systeme sind in Wirklichkeit Large Language Models (LLMs), die, obwohl sie in der Verarbeitung und Generierung von Sprache beeindruckend sind, in ihrer Funktion auf statistische Musteranalyse beschränkt sind. Das bedeutet, dass ihre Fähigkeit, völlig neue und innovative Lösungen für komplexe Probleme wie den Klimawandel zu entwickeln, begrenzt ist. Für solch komplexe und multifaktorielle Probleme bedarf es KIs, die nicht nur Sprache, sondern auch andere wissenschaftliche Modelle tiefgehend verstehen und kreative Schlüsse daraus ziehen können.

Darüber hinaus steht die Menschheit, selbst wenn sie über eine derart fortgeschrittene KI verfügen würde, immer noch vor dem Dilemma der „Tragödie der Allmende“, wie die Spieltheorie zeigt. Diese spieltheoretischen Einschränkungen bedeuten, dass viele Akteure – ob Staaten, Unternehmen oder Einzelpersonen – oft in ihrem eigenen besten Interesse handeln, selbst wenn dies zu Lasten des kollektiven Wohls geht. Dieses inhärente Problem erfordert Lösungen, die nicht nur effektiv, sondern auch für alle Beteiligten vorteilhaft sind, um breite Akzeptanz und Umsetzung zu gewährleisten.

Insgesamt zeigt die Auseinandersetzung mit der Rolle der KI bei der Bewältigung der Klimakrise, wie entscheidend ein ganzheitliches Verständnis sowohl technischer als auch menschlicher Dynamiken ist. Die Herausforderung liegt nicht nur in der Entwicklung fortschrittlicherer KI-Modelle, sondern auch in der Berücksichtigung der menschlichen Faktoren, die deren erfolgreiche Anwendung beeinflussen.


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