Eine etwas wirre Grafik, so wie Philosophie nun mal etwas wirr ist

Philosophie eines Modell der Modelle

Einer der Programmpunkte des Modells der Modelle (wie aller Modelle) ist Vereinfachung: sie zieht sich durch alle Schichten, beginnt unten in der Philosophie und endet oben in der Applikation1. Die meisten Modelle, wie auch die meiste Software, als Applikation von Modellen, werden dann irgendwann komplizierter, versuchen sich dem, was da repräsentiert werden soll, immer weiter anzunähern, was in seltsamer Weise der Ur-Idee widerspricht.

Die Philosophie baut ebenfalls Modelle. Die Qualität selbiger hängt von vielen Dingen ab: von dem, was in die Modelle hineingesteckt wird, Grundannahmen also, Axiome, Evidenzen, “Selbstverständliches”; von der angewandten Logik, diese Elemente miteinander zu verknüpfen (auch diese wird oft hineingesteckt); ferner wird eine Wahl getroffen, an welchen Stellen jene vereinfachenden Schnitte vorgenommen werden: was wird weggelassen, welche Kompromisse werden gemacht?

Was heißt modellieren in der Philosophie aus der Sicht des Modells der Modelle? Modellieren heißt, ein intuitiv, meist unscharf perzipiertes Etwas (das natürlich, auch wenn das oft übersehen wird, ebenfalls ein Modell ist und nicht etwa eine Realität), kleiner und schärfer zu stellen.

Hier finden sich – natürlich fragmentarisch, wie das so meine Art ist – Elemente der Philosophie des Modells der Modelle.

Fragmente

Das Virtuelle Außen (VA)

Auf den ersten Blick mag man es nicht glauben, aber das Virtuelle Außen (ich sage gleich was ich damit meine) ist der größte Stolperstein beim Philosophieren.

Und ich werde versuchen zu zeigen, dass der Verzicht auf ein solches Außen die Modelle ungemein vereinfacht: dies geradezu in frecher Form.

Was ist das VA? Warum dieser Begriff?

Sehr viele Denkoperationen arbeiten mit dem Konstrukt eines Außen, das sich dadurch auszeichnet, dass ihm prinzipiell niemals eine Realität zukommen kann. Dies nenne ich ein Virtuelles Außen.

Meine These ist, dass Denkoperationen, bei denen ein VA verwendet wird, grundsätzlich fragwürdig und die gezogenen Schlüsse oft falsch sind.

Beispiele:

  1. Objektivität
    Die Idee, Modell und Realität könnten deckungsgleich (s. etwas weiter unten: Identität) sein, ist ein anderer Begriff für den der Wahrheit. Der gewagte Gedanke (der eigentlich ein Zugriff auf ein VA ist) ist der, dass es diese Übereinstimmung geben könnte, dass es also Objektivität gibt, obgleich keine Instanz denkbar ist, die diese feststellt. Denn jede solche Instanz sieht die Welt durch Modelle.
  2. Universum
    Jedes Wort bedingt sein Gegenteil (oder zumindest eine Relation). Das Universum, also die Menge aller Dinge, Sachverhalte usw., sollte eigentlich eine Ausnahme darstellen und kein Gegenteil haben bzw. zu nichts in einem Verhältnis stehen. Da es aber ein Wort ist, ein Begriff, und Begriffe nun einmal diese duale Natur haben, können wir das Universum nur mit einer Relation denken. Wir bauen hier praktisch freiwillig auf einem VA auf, nämlich dem, was zum Universum in einem Verhältnis steht: einem Außen. Dieses ist aber qua Definition des Universums virtuell (es gibt es nicht).
  3. Der Laplacesche Dämon
    Das bekannteste VA (vielleicht mit Ausnahme von Gott). Er weiß alles über – hier kommt’s – das Universum. Er selbst ist aber nicht Teil des Universums. Er ist ein offizielles Gedankenexperiment von Pierre-Simon Laplace. Der bekannten Kritik füge ich vorwegnehmend die Bemerkung hinzu, dass die Idee, dass sich aus VA-Gedankenexperimenten gültige Schlüsse ziehen lassen, niemals bewiesen worden ist.
  4. Identität (im Sinne von A = B)
    Wie? Identität? Ja. Die Identität zweier, tja, Dinge, Sachverhalte, Objekte, …, was auch immer, …: wie stellt man sie fest? Von außen: ein Drittes D schaut auf die beiden. Das Dritte D hat sowohl von A als auch von B ein Modell (streng genommen hat es nicht von A und B ein Modell, sondern A und B sind die Modelle). Wie kann D nun entscheiden, ob A und B – nach den vorgegebenen Kriterien (die meistens Ort und Zeit ausschließen, was hier aber keine Rolle spielt) – identisch sind? Kommt Controller C in den Raum und überprüft das Ergebnis von D hinsichtlich der Identität von A und B, überprüft sie mittels ihrer eigenen Modelle A und B die Identität und geht damit implizit davon aus, dass das A von D und das B von D ihrem A und ihrem B entspricht. Wie kann sie das tun? Implizit tut sie dies durch einen Rückgriff auf ein Virtuelles Außen, das in der Lage ist, die Situation objektiv, so wie sie ist, zu erkennen: anders als alle modellbildenden Wesen und Maschinen ist das hier unterstellte VA in der Lage, Ding an sich A und Ding an sich B zu erkennen. C mag durchaus wissen, dass niemand, kein innerhalb des Universums existierendes Etwas, in der Lage ist, objektiv Dinge wahrzunehmen, geht aber dennoch davon aus, dass das gehen könnte, wenn nur … im Virtuellen Außen ein Geist mit dieser Fähigkeit sitzen würde. Das ist die implizite Annahme, wann immer wir den Begriff der Identität verwenden.
    Und das bezieht sich auf so gut wie jede gängige Variante.
  5. Absolute Macht
    Irgendwo in den Köpfen vieler Anarchisten, aber auch Kommunisten und modernen liberalen Kapitalisten spukt ein Missverständnis herum, das auf einem VA basiert.
    Eine Gruppe von Menschen (oder ein Ensemble von Teilchen) lässt sich auf zweierlei Weise organisieren: von außen und von innen. Diktatorisch oder selbstorganisiert. Die Gesamtheit aller Menschen organisiert sich stets selbst2. Eine Teilmenge, wie zum Beispiel eine Kommune, kann hingegen durchaus von einer dieser äußerlichen Instanz, wie einem Staat, organisiert werden. Gegen diese Instanz kann dann protestiert werden, oder es kann von ihr eine andere Organisationsform gefordert werden.
    Diese Forderung kann jedoch nicht sinnvoll für die gesamte Menschheit erhoben werden, weil es keine weitere, ihr äußerliche Instanz mehr gibt.
    Ein Appell an eine ultimative Machtinstanz kommt einem Appell an ein VA gleich.
  6. Wert
    “Sind A und B gleich viel wert?”, fragt X und meint damit nicht “Sind für mich, für dich, für unsere Kultur, für unser Land, für die Menschheit, für Gott oder oder oder A und B gleich viel wert?”, sondern bezieht sich auf einen seltsamen intrinsischen Wert, dessen Unmöglichkeit einfacher zu verstehen ist als etwa die von Identität. Die Idee, dass irgendwo ein objektiver Wert herrschen könnte, ist die Idee eines Virtuellen Außen.
  7. Prinzip
    Wir betreten Plato-Space. Wo existieren Prinzipien, Ideen, das alles?

Führt man dann auf Basis dieses oft leichtfertig Gedankenexperiment genannten Vorgehens logische oder unlogische Operationen durch, wird die Qualität der Ergebnisse dieser Operationen davon beeinflusst, dass einer oder mehrere Schritte mit Hilfe eines VA gemacht worden sind,

Sieht man die Welt des Denkens einmal durch diese Brille, wird alles anders.

  1. Warum freilich das eine oben und das andere unten ist, weiß nicht einmal Hermes Trismegistos
  2. Es sei denn eine höhere Lebensform, ein Gott oder ein Nerd, der uns simuliert, halten die Fäden in der Hand – dann müssten wir den Begriff der Gesamtheit auf nicht-menschliche Wesen erweitern, um dasselbe Argument zu erhalten